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Titel
Der «gerechte Krieg». Zur Geschichte einer aktuellen Denkfigur


Herausgeber
Kreis, Georg
Erschienen
Basel 2006: Schwabe Verlag
Anzahl Seiten
173 S.
Preis
URL
Rezensiert für infoclio.ch und H-Soz-Kult von:
Walter Troxler

Diese Aufsatzsammlung als Produkt einer interdisziplinären Vortragsreihe zum Thema «gerechter Krieg» vereinigt verschiedenste Ansatzpunkte zu dieser komplexen und wiederum aktuellen Thematik. Der Historiker G. Kreis erörtert die klassische Dreiteilung des Rechts Krieg zu führen, das Recht im Krieg selber und das Recht des Siegers und des Verlierers, also die Situation nach dem Krieg. Der Krieg als Mittel der Konfliktlösung ist geächtet, die humanitäre Intervention im Rahmen der UNO erscheint als der noch mögliche gerechte Krieg. Mit der Dekla ration der Achse des Bösen versuchte Bush, seinen Krieg als gerechten zu verteidigen.

Aus der von H. Münkler vertretenen politikwissenschaftlichen Sicht wirkt ein solcher Krieg vielmehr als imperialer denn als gerechter Krieg, weil Recht vom Standpunkt des Stärkeren aus definiert wird. Die Asymmetrie der Macht und der eingesetzten Mittel scheint sich im Rechtsverständnis fortzusetzen. Sehr ausführlich wird das Thema unter dem völkerrechtlichen Aspekt von A. Peters abgehandelt. Nach der historischen Einführung wird die Frage der zwischenstaatlichen Gewaltanwendung im Rahmen der UNO skizziert und mit Fallstudien von humanitärer Intervention und Fällen von Selbstverteidigung belegt. Bei der Frage der Legalität der militärischen Gewalt wird zumeist nur die Frage der Verhältnismässigkeit diskutiert, da das UN-Mandat die Legalität sicherstellt. Mit der Aufnahme der Lehre des «gerechten Krieges» in das Völkerrecht wurde die moralische Frage zu einer rechtlichen, was nicht verhindert, dass bei schwachen rechtlichen Gründen wiederum moralische ins Feld geführt werden.

Aus theologischer Sicht setzt W. Palaver beim Zusammenhang von Gewalt und Religion ein und fährt dann mit der gewaltfreien Tradition des Christentums fort. Dies führt zum Widerspruch im Begriff «gerechter Krieg», der zwar einige Chancen, aber weit mehr Gefahren in sich birgt. Konsequenterweise muss die Frage des gerechten Friedens gestellt werden und danach, was die Kirche diesbezüglich für einen Beitrag leistet.

A. Zumach befasst sich als politischer Publizist mit der komplexen, teils gar widersprüchlichen Situation der UNO. Seit den Ereignissen vom 11. September wird vieles anders gesehen: die Selbstverteidigung wird fast grenzenlos, die Frage der Gewaltanwendung zunehmend durch die Macht des Stärkeren beantwortet. Die USA stellen sich eigenmächtig über die UNO und verunmöglichen es, dem Völkerrecht Nachachtung zu verschaffen. Nach wie vor ungelöst ist die Frage, wie bei innerstaatlichen Konflikten mit Verbrechen gegen die Menschlichkeit oder Völkermord vorzugehen sei. Auch hier scheinen staatliche Interessen vor den Ansprüchen des Völker- oder Menschenrechts zu stehen. Wie verworren die Situation im Krieg der USA gegen den Terror oder die Achse des Bösen ist, zeigt Th. Scheffler aus islamischer Sicht, indem er darauf hinweist, dass auch islamische Staaten sich auf die Defensive berufen, so dass Defensive gegen Defensive steht. Dass die Defensive auch aus islamischer Sicht sehr ambivalent sein kann, zeigt der Autor durch Belege aus dem Koran, wobei der schwergewichtig darauf hinweist, dass das menschliche Leben zu schützen sei, dass es verboten sei, Unschuldige oder Zivilisten zu töten, oder dass gar Muslime Muslime töten. Da die Defensive grundsätzlich bejaht wird, ist es auch hier die Frage des Masses.

Der Philosoph O. Budelacci nimmt sich der Kriegsrhetorik der USA an und zeigt, dass durch die Entmenschlichung des Gegners – Achse des Bösen, Kampf gegen den Terror, Schurkenstaaten – das eigene Handeln ohne weitere Erklärung als gerecht erscheint. Wer dann noch den Anspruch erhebt, einen gerechten Krieg zu führen, darf sich sehr vieles oder gar alles erlauben. – Eine empfehlenswerte, höchst aktuelle Sammlung von Aufsätzen mit vielen weiterführenden Literaturhinweisen.

Zitierweise:
Walter Troxler: Rezension zu: Georg Kreis (Hg.): Der «gerechte Krieg». Zur Geschichte einer aktuellen Denkfigur. Basel, Schwabe, 2006. Zuerst erschienen in: Schweizerische Zeitschrift für Geschichte, Vol. 57 Nr. 2, 2007, S. 232-226.

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Zuerst veröffentlicht in

Schweizerische Zeitschrift für Geschichte, Vol. 57 Nr. 2, 2007, S. 232-226.

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